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Der zweite Dekadenstein für die Wemdinger Zeitpyramide "schwebt" auf der "Platte" auf der Robertshöhe ein. Der rund 6,4 Tonnen schwere Brocken besteht aus einem Beton aus Sand und Kies aus der Donau und ist mit Portlandzement aus Harburg bezogen. Setzung und Transport wurden gesponsert, von den Firmen Eigner und Leinfelder. Mit einem Autokran wurde der Quader unter dem Beifall der über 200 Besucher auf seinen vorgegebenen Platz gestellt. Bild: Sisulak |
Zwischen Denkmal und Utopie…Der zweite Dekadenstein der Zeitpyramide ist gesetztWemding (sol). "Einen Millimeter vorwärts. Stopp. Noch etwas. Gut. Gut. Guuuut." Um 15.58 Uhr war es soweit. Unter dem Kommando von Manfred Laber saß der zweite Dekadenstein der Wemdinger Zeitpyramide auf seinem vorgesehenen Platz. Applaus der über 200 Zuschauer brandete auf. "Es ist ein tolles Gefühl", umschrieb diesen Moment Laber wenige Minuten danach. "Ich hab's mir zwar x- mal vorgestellt -aber jetzt war's doch ein ganz anderer Eindruck." Drei Konstellationen zeichnen dieses Projekt aus: Ein Künstler (Laber), der aus eben jener Stadt stammt, die ihr Jubiläum feierte, eine Stiftung, die mit Engagement das Vorhaben am Leben erhält und schließlich ein mathematisches Zahlenspiel. Der erste Stein wurde 1993 gesetzt zum 1200-jährigen Jubiläum von Wemding. Die Pyramide besteht aus insgesamt 120 Blöcken und jeder von ihnen wird im Rhythmus von zehn Jahren hinzugesetzt. Am vergangenen Samstag nun stand der zweite dieser 120 mal 120 mal 180 Zentimeter messenden und rund 6,4 Tonnen schweren Betonbrocken bereit. Bereit an einem Standort, an dem man, wie dies Landrat Stefan Rößle formulierte, "Blick und Geist über das geschichtsträchtige Ries schweifen lassen kann". Als eine Attraktion, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen verkettet. Das Bläserquartett Oettingen begrüßte die Besucher musikalisch, Heidi Dietrich, die Vorsitzende der "Stiftung Wemdinger Zeitpyramide", folgte. Sie sprach von einem "außergewöhnlichen und mutigem Projekt", von dem niemand wisse, ob es jemals bis zum Schluss ausgeführt wird. Doch man habe die Hoffnung, dass es immer Menschen geben werde, die Stein zu Stein fügen, um die Idee zu verwirklichen. Dietrich: "Es ist die Utopie der Menschheit, dass es eine Zukunft gibt, es ist die Utopie des Optimismus." |
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Heidi Dietrich |
Vize-Bürgermeister Eugen Meitinger dankte im Namen der Stadt dafür, dass sich eine Stiftung etabliert hat und dass deren Mitglieder sich engagieren, um das Werk am Leben zu erhalten. Landrat Stefan Rößle betonte, dass Manfred Laber den englischen Mathematiker und Physiker verwirkliche, der einst feststellte: "Die absolute, wahre mathematische Zeit verfließt gleichförmig und ohne Beziehung zu einem Gegenstand." Denn die neutralen Blöcke stünden zwar gedanklich in Konnexität zur Geschichte Wemdings, aber diese Beziehung werde erst durch die Zeit selbst verwirklicht: "Dieses Gedankenspiel verdeutlicht den Wagemut des Künstlers, in ferne, ungewisse Zukunft zu planen." Und jeder, der sich damit befasse, bekomme ein neues Zeitbewusstsein. Bereits vor zehn Jahren hat Dr. GeraId Jasbar vom Museum für Modeme Kunst in Ulm auf das Werk eingestimmt. "Ich war damals skeptisch, aber ich freue mich nun umso mehr, dass ich heute dabei sein kann." Für ihn dürfte die Zeitpyramide in Labers Schaffen eine "besondere künstlerische Station" markieren. Schließlich ging es nicht nur darum, die Idee einzubringen, sondern die vielen großen und kleinen Hindernisse auf dem Weg zur Realisierung beiseite zu räumen. In seiner Rede setzte sich Jasbar mit dem Begriff "Zeit" auseinander, so wie sie von Emmanuel Kant und den Literaten James Joyce, Thomas Mann oder Marcel Proust definiert wird. |
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Letzte Hand angelegt und den Quader verputzt: Fritz Wagner von der Firma Eigner. |
Die Zeitpyramide gehe für ihn über die Versuche, im Kunstwerk reale Bewegung in einem zeitlichen Ablauf zu demonstrieren, hinaus. Die Pyramiden in Ägypten oder Mittelamerika waren für die Ewigkeit - Grabstätten oder Tempel. "Labers Projekt ist ein Kind des modernen Geistes. Es steht zwischen Denkmal und Utopie; sein Objekt lebt vom Dualismus der Materie und des Geistig-Visionären." Es sei nicht utilitaristisch, sondern sei ein Gedankenkonstrukt, dem jeder eingeengter Zweck fremd ist. Mit jeder Steinsetzung nähert sich - über einen riesigen Zeitraum hinweg - das Werk der Vollendung. Dieser Prozess sei im übertragenen Sinne eine Metapher für die Zukunft: "Diese bringt nur Ungewissheit, aber die Zeitpyramide ist ein Ort von Zuversicht und Hoffnung. Es gibt kein Scheitern, wie es kein Scheitern unserer Zukunft gibt. Von diesen futuristischen Gedanken abgesehen, ist die Pyramide, einem Januskopf vergleichbar, Zeuge für Geschichte und Vergangenheit." Das langsame Werden der Pyramide schließt die Veränderung des jeweils Gegenwärtigen in der Zeit mit ein, denn gleichzeitig erfolgt ja eine sukzessive Verwandlung des Objekts, von den Spuren der Zeit gezeichnet. Nicht mehr der Künstler allein ist also der Demiurg, der Schöpfer, sondern die Natur selbst, sagte Dr. GeraId Jasbar. |
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Dr. Gerald Jasbar (links) im Gespräch mit dem Schöpfer der Zeitpyramide Manfred Laber. |
Strahlender Künstler Manfred Laber strahlte nach der Steinsetzung über das ganze Gesicht: "Nach zehn Jahren Einsamkeit steht nun endlich ein Compañero dort (der Künstler lebt meist unweit von Barcelona). Es ist toll." Es ist damit erreicht worden, das Heidi Dietrich so umschrieb: "Ich denke, Künstler wollen, dass ihre Arbeiten eine nachhaltige Wirkung erzielen…" |